Ist das Leipziger Selbstnutzer-Modell so gut, dass es als Vorbild für andere Kommunen dienen kann? Diese Frage stellten sich 70 Teilnehmer, die von 20 Kommunen aus acht Bundesländern angereist waren, auf dem Nationalen Workshop am 18./19. Juni im Leipziger Rathaus. Am Ende bekundeten viele Teilnehmer ihr Interesse an dem Leipziger Modell und wollen in ihren Kommunen die Voraussetzungen für eine Übernahme prüfen.
Nicht unwesentlich hatte dazu beigetragen, dass neben den theoretischen Beiträgen und Diskussionen auf dem Workshop auch ein praktischer Teil „Selbstnutzer zum Anfassen“ im Ablauf der zwei Tage enthalten war. Dies war zum einen eine Bustour zu acht Standorten mit gebauten Beispielen, zum anderen die Begegnung mit sechs ausgewählten Selbstnutzer-Familien bei einem offenen Grillabend. Auch das Wetter spielte mit, und die letzten Diskutanten trennten sich erst um Mitternacht. „Rundherum gelungen“ fanden zum Beispiel die Vertreter der Stadt Heidelberg den Workshop.
Zum Auftakt machte Leipzigs Baubürgermeister Martin zur Nedden deutlich, wie wichtig ihm die ca. 400 Familien seien, die in den letzten Jahren mit Unterstützung dieses Programms Eigentum gebildet haben. Die Stadt profitiere zunehmend von dem Modell, Baulücken würden geschlossen und nicht zuletzt seien die entstandenen Baugemeinschaften ein wichtiger Bestandteil des nachhaltigen Stadtumbaus. ...
... „Neue Ideen sind wie Rostlöser für verkrustete Strukturen“, betonte Karsten Gerkens, Leiter des Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, und berichtete weiter, wie die Stadt aus kleinen Anfängen heraus nach einigen Rückschlägen mit anderen Versuchen das Selbstnutzer-Modell peu à peu gefördert hat. Daneben haben sich inzwischen weitere Initiativen entwickelt, die die vorhandenen Flächenpotenziale nutzen, wie z.B. das Wächterhaus-Modell oder die Freiflächenvermittlung „Freiräume für Bürgerträume“.
Die Leipziger Selbstnutzer-Initiative bindet sich als praktisches Beispiel in die Leipzig Charta ein, die mithilfe einer integrierten Stadtentwicklungspolitik zur Modernisierung der Europäischen Stadt beitragen will.
Hier setzt die Tagung an und zielt darauf ab, Erfahrungsaustausch weiter zu fördern, die tatsächlichen Akteure zusammenzubringen und Anregungen für die eigene Arbeit am Thema unter den jeweils spezifischen Bedingungen des jeweiligen lokalen Marktes zu gewinnen.
Christoph Scheffen, von der Stadt Leipzig mit der Durchführung des Programms beauftragt, referierte die verschiedenen Aktivitäten, die er mit seinem Beratungs- und Moderationsteam täglich unternimmt. Zentrale Aufgabe sei die Bildung von Baugruppen aus Einzelinteressenten, und diese Arbeit fände vorwiegend an den Abenden oder Wochenenden statt. Daneben sei die Suche und Aufbereitung von Standorten eine Daueraufgabe, wobei die verkaufswilligen Alteigentümer ihre Grundstücke für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten der Initiative zur Verfügung stellen müssen.
Das Programm „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ bildet den Hintergrund für die Durchführung der „Machbarkeitsstudie zur Übertragbarkeit des Leipziger Selbstnutzer-Modells auf andere Kommunen“. Dabei hatten 155 Kommunen aus ganz Deutschland vertiefendes Interesse an dem Leipziger Vorbild bekundet. Astrid Heck vom Büro Gauly & Heck hatte die Mehrzahl dieser interessierten Städte befragt, wobei kaum ein Unterschied zwischen schrumpfenden und wachsenden Städten mit mehr oder weniger Bautätigkeit festzustellen war: „Das Interesse ist riesig, viele Kommunen beschäftigen sich bereits mit eigenen Ansätzen und haben insbesondere im Hinblick auf Organisations, Beratungs- und Kommunikationsstrukturen weiteren Informationsbedarf.“
Auch Gregor Jekel vom Deutschen Institut für Urbanistik aus Berlin erläuterte in seinem Vortrag, dass Baugruppen und Baugemeinschaften immer wichtiger werden als Instrumente zur Differenzierung des Wohnungsangebotes für spezielle Zielgruppen. Nach seiner Meinung kämen grundsätzlich nur drei Modelle in Frage:
- Koordination und Steuerung durch die Kommune (Beispiel Hamburg und Tübingen)
- Kooperation mit freien Beratungsinstitutionen (Beispiel Dresden und Hannover)
- Beauftragung spezialisierter Beratungsunternehmen durch die Stadtverwaltung (Beispiel Berlin und Leipzig)
Der Sinn des Programms "Nationale Stadtentwicklungspolitik" sei die Verbreitung guter Beispiele, betonte Dr. Oliver Weigel vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Bund könne allerdings nur wenige besonders gute Beispiele mit Vorbildcharakter in Hinblick auf eine Übertragbarkeit fördern. Die konkrete Umsetzung einzelner Projekte durch die Kommunen muss mit Hilfe vorhandener Instrumente der Städtebauförderung auf Länderebene erfolgen.
Abschließend stellte sich die Deutsche Städtebau- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK) als neuer/potenzieller Kooperationspartner zur Einführung des Selbstnutzer-Modells vor. Die bisher vorwiegend als Sanierungsträger und in der Projektentwicklung tätige Gesellschaft an über 35 bundesweiten Standorten möchte zusammen mit dem selbstnutzer kompetenzzentrum in der Stadt Leipzig ein Weiterbildungs- und Trainingszentrum für interessierte Kommunen zu diesem Thema aufbauen.
In der Schlussdiskussion "wie geht's weiter" wurde noch einmal betont, dass ein solches Modell die uneingeschränkte Unterstützung durch die Spitze der Kommunalverwaltung wie in Leipzig benötigt, da die traditionelle Immobilienwirtschaft sich dem Thema Wohneigentum mit Baugruppen und Baugemeinschaften nur zögerlich nähert.
Die skizzierten Enabling- und Beratungsansätze stellen keine gemeindliche Pflichtaufgabe dar, und sind trotz nachgewiesener Effektivität in Zeiten knapper kommunaler Finanzen extrem kürzungsbedroht. Im anstehenden Dialog mit Bund und Ländern gewinnt die Frage an Bedeutung, wie durch die Anpassung von Fördervorschriften, Programmen und Förderkonditionen dieser absehbare Verlauf aufgehalten werden kann. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen tragen Beratungsansätze in erheblichem Maße zu einer Mobilisierung von privatem Kapital und Aktivität bei, und sind unverzichtbar zur Aufrechterhaltung der Stadterneuerungsaktivitäten, wenn der klassische Zuschuss mangels städtischer Finanzressourcen ausfällt.